Unser verkrampftes Verhältnis zum Erdgeschoss

An einem der zentralsten Plätze Zürichs steht seit mehr als einem Jahr ein Erdgeschoss leer. Dies jedoch nicht wegen fehlender Nachfrage, sondern wegen kultur-elitärer Bedenken und nachbarschaftlichem Verhinderungsgeist:

  • Das Zürcher Schauspielhaus möchte im Erdgeschoss am Pfauen keine Nachbarn, die nicht den Vorstellungen der Zürcher Kulturelite entsprechen. Hat jemand den Eigentümer der Liegenschaft gefragt? Hat jemand die Nachfrager gefragt?

An guter Passantenlage in einem attraktiven Wohnquartier wird über einen beliebten Lebensmittelladen gesprochen. Aber nicht, weil es irgendwelche Probleme gäbe, im Gegenteil:

  • Die Wincasa möchte im Erdgeschoss einer Liegenschaft an der Limmatstrasse lieber einen coolen Trendladen als einen türkischen Lebensmittelladen. Hat die Wincasa einen Nachmieter, der mehr bezahlt? Hat jemand die Kunden des türkischen Ladens gefragt? Wer macht mehr Umsatz pro m2, der «Dirok Market» oder die zahlreichen Non-Food- und Gastor-Angebote?

Es entsteht der Verdacht, dass in beiden Fällen von einzelnen Akteuren versucht wird, Stadtentwicklung zu betreiben, die nur gewissen Partialinteressen und weltfremden Vorstellungen entspricht. Das geht am Nutzer vorbei und hat weder mit Marktwirtschaft noch mit dem breiten Interesse der Öffentlichkeit an attraktiven Strassenräumen und nachfragegerechten Angeboten zu tun.

Die Stadt sind wir. Die Stadt ist chaotisch und folgt manchmal keinen Konzepten. Die Gentrifizierung ist ein Prozess, der grundsätzlich marktwirtschaftlichen Kriterien folgt und weder gut noch schlecht ist. Sie kann beobachtet und diskutiert und vielleicht ein bisschen gesteuert werden. Sie kann aber weder von sozialromantischer Blauäugigkeit gebremst, noch von künstlicher Begeisterung und Hochglanz-Immobilienkonzepten forciert werden.

Wenn die Kantonsschülerin vom Rämibühl am Mittag in den Mc Donald’s geht, so tragen sie und ihre Eltern die Verantwortung für ihre Ernährungsqualität, und nicht die vermeintliche Zürcher Kulturelite.

Wenn der Architekt im Kreis 5 sein frisches Gemüse gerne beim Türken kauft und schon genügend andere Läden kennt, wo er seine «erfolg»-Shirts und Eames-Stühle kaufen kann, dann ist diesem Nachfrageindikator ebenfalls Rechnung zu tragen, und nicht irgendwelchen Konzepten zu folgen, die vermeintliche Trends hilflos zu antizipieren versuchen.

Angebot und Nachfrage – manchmal wäre es so einfach. Legt Euer Augenmerk lieber auf die Erdgeschosse und Aussenräume in der Agglomeration! In der Innenstadt haben wir es im Griff!

Übrigens, hier kann man unterschreiben.

Quellen:

 

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